“Ich erlaube mir hier ein paar persönliche Gedanken”

Grossratsgeflüster vom 02. März 2022 von Turi Schallenberg, Kantonsrat

Angesichts der schlimmen Kriegssituation in der Ukraine setzte die Präsidentin mit ihren Worten zu Beginn der Grossratssitzung einen klaren Punkt gegen diesen unsäglichen Krieg und wies auf das fragile Gleichgewicht hin, welches in jeder Demokratie vorherrscht.

Ich erlaube mir hier ein paar persönliche Gedanken;

In der Grossratssitzung wählten wir neue Personen in die Funktionen der Stimmenzählerin und als Mitglied in die Gesetzgebungs- und Redaktionskommission. Wir diskutierten über «Friedensstiftenden bäumigen Klimaschutz in Stadt und Dorf», «Strassenverkehrsabgaben – Weniger Gebühren wären mehr!», den «Zubau von Elektroladestationen im Kanton Thurgau» und über «Bäume, die das Siedlungsklima verbessern». Bei allen Themen handelte es sich um persönliche Vorstösse von Kantonsratskolleginnen und -kollegen. Also sind es Themen, welche mehr oder weniger unser demokratisches Zusammenleben beeinflussen. Alle Rednerinnen und Redner konnten ihre eigene Meinung kundtun und das Wort ist für alle offen. Nicht mal eine Redezeitbegrenzung kennen wir in unserem Rat. Grundsätzlich könnten sich alle zu Wort melden und niemand muss Repressalien befürchten.

Die freie Rede, die freie Meinungsbildung, die Religions- und Glaubensfreiheit sind enorme Errungenschaften unserer Demokratie, welche wir heute als selbstverständlich erachten. Eine Demokratie lebt von der gegenseitigen Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und der Bereitschaft mit andersdenkenden Menschen Lösungen zu erarbeiten. Die Mehrheit entscheidet welcher Lösungsweg eingeschlagen wird. Auch die Macht, bzw. die Exekutivarbeit wird bei uns auf verschiedene Schultern verteilt und kein:e Bundes- oder Regierungspräsident oder -präsidentin ist länger als ein Jahr im Amt und hat dadurch keine Zeit, um sich einen persönlichen Machtapparat aufzubauen.

Unsere Demokratie ist eine alte, bewährte und gleichzeitig moderne Demokratie. Weil wir sie immer hinterfragen können/dürfen/müssen, um mit den gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Ukraine wollte ebenfalls den Weg in eine modere Demokratie gehen und hat die Entwicklung dahin schrittweise erkämpft. Und jetzt kämpfen sie dort mit Waffen um ihr Überleben, weil dem russischen Machthaber diese Entwicklung nicht gefallen hat. Es ist erschreckend, ja unsäglich wie ein einzelner Machthaber mit seinen Gefolgsleuten in so kurzer Zeit so viel Angst, Leid und Tod bringen kann. Und dies im offenen und modernen Europa und der hochvernetzten Weltgemeinschaft.

Ich fühle mich aufgerufen meinen eigenen, kleinen Beitrag zu leisten:
– für die Menschen in der Ukraine, die um ihre Freiheit und Demokratie kämpfen
– für unser Land, das sich engagiert und solidarisch für die demokratischen und freiheitlichen Werte einsetzen soll
– für unseren Kanton, der Opfer aufnehmen und deren Leiden lindern soll
– und für mich selbst, damit ich auch künftig in den Spiegel schauen und sagen kann: du hast deinen kleinen Teil für den Frieden beigetragen!

Mein Beitrag ist eine Spende an die Glückskette. Zudem konnte ich einem Flüchtling eine kleine Wohnungseinrichtung kostenlos organisieren. Und zu guter Letzt versuche ich mit meinen bescheidenen Mitteln als Kantonsrat für einen offenen, solidarischen und modernen Kanton Thurgau einzustehen.
Auf den Punkt gebracht: Die Grossratsdebatten im Thurgau sind im Verhältnis zum Krieg in der Ukraine (oder jedem anderen Krieg), wie ein Backstein im Vergleich zu einem Panzer, aber er ist einer jener Backsteine, welchen es für das Fundament der Demokratie braucht – und viele Backsteine halten auch Panzer auf!

Turi Schallenberg

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